Die abgründigen Philosophien der Johanna J.

Dienstag, Juli 10, 2007

Heute wünsch ich mir das Meer hier her.
Mit den Wellen schlender ich zum Einkaufen.

Langsam brummen die Autos über die Kreuzung, auf der plätschernd die Fahrwellen umeinander tanzen, sich gegenseitig wild auf und ab schaukeln und keck funkelnde Diamantentropfen versprühen.
Es wird grün und ich wate durch das seichte warme Wasser.
Die Wellen springen übermütig verspielt an meinen Beinen empor und wirbeln ockerfarbene Sandwolken um meine nackten Waden.
Auf der anderen Seite der Straße liegt der Fußweg. Von der Straße rollen lange Wellenbänder heran und schaukeln das Gras des Grünstreifens in kräftigen, beinahe majestätischen Zügen auf und ab.
Der Sand drückt sich warm zwischen meine Zehen, als ich den Fußweg entlanggehe. Kleine bunte Fische schwärmen zwischen den wogenden Grashalmen und begleiten mich neugierig ein Stück, bis ich ihr Interesse verliere. Die Sonne wirft tanzende Lichtreflexe auf den hellen Sandboden. Hier und da ragt eine Muschel aus dem Sand und wird im nächsten Moment vom von der Straße heranspülenden Sand begraben, um kurz darauf wieder hervorgewirbelt zu werden.

Einen kurzen Watgang später gelange ich auf den Parkplatz des Supermarktes. Ruhig liegt er da, glitzernd und gleißend im hellen Sonnenlicht. Helle Fischschwärme schnellen in perfekter Synchronisation im flachen Wasser hin und her, während über ihnen hungrig Möwen kreisen.
Am Eingang stehen einige verlassene Einkaufswagen kreuz und quer im Weg: der feine Sand blockiert die Räder. An den Metallstreben haben sich einige Wasserschnecken häuslich eingerichtet und lassen ihre feinen Filterhärchen von der sachten Strömung schaukeln.
Ich betrete den Supermarkt.

An den Kleiderständern wallen prächtig geblümte Kittelschürzen mit den feuerroten Quallen um die wette. Auffallend schöne Medusen schweben erhaben zwischen den Kleiderständern und schenken der diesjährigen Kollektion Sommerhüte jenen gleichzeitig mitleidigen und überlegenen Blick, den Frauen für ihrer Meinung nach weniger attraktive Artgenossinnen übrig haben. Und natürlich sehen sie umwerfend aus.

Ich wende meinen Blick von den Meeresschönheiten und komme am Stand für Feinkost vorbei, wo ein opulenter Tintenfisch dem Meeresfrüchtesalat misstrauische Blicke zuwirft. Ein leichter Film von Olivenöl treibt hier auf dem Wasser und ich gehe schnell weiter.
In der Getränkeabteilung tobt das wilde Leben. Farbenfrohe Korallen bevölkern die Stapel von Getränkepackungen und Bierkisten. Zwischen ihnen tummeln sich nicht minder farbenfrohe Fische in allen erdenklichen Formen und Mustern. In einer dunklen Ecke, zwischen den Wodkaflaschen, treibt sich eine Muräne herum und liegt abseits des bunten Getümmels auf der Lauer, darauf ausharrend, dass sich einer der frohen Tümmler in seinem Überschwang unvorsichtigerweise zu weit hinaustraut.

Ich nehme eine Flasche Apfelsaft mit (und muss dabei aufpassen, mich nicht an den Nesselzellen einer Anemone zu verbrennen) und gehe weiter. Eine Pfandflaschenpost schaukelt vorüber, doch ich beachte sie nicht weiter und wate rasch an den Haushaltswaren vorüber.
Ich erledige meine Einkäufe. Ein Walross treibt auf einem Bügelbrett vorüber, empört hält es eine tiefgefrorene Forelle im Maul. Ich zeige ihm die Abteilung mit den Mikrowellenöfen.

Von den Kühlfächern her kommt ein kalter Strom, der das gesamte Obst- und Gemüsesortiment leicht auf und ab schaukelnd vorübertreibt. Sacht wiegt sich die Topfpetersilie im kühlen Wasser.

Im Bereich vor den Kassen haben sich wahre Sandbänke von Mehl, Grieß und Reis gebildet, die trüb im Wasser aufwirbeln, als meine nackten Füße durch die glitschige Substanz waten. Kleine Krebse krabbeln aufgeschreckt emsig umher und suchen Schutz hinter den Gurkengläsern.
Ich warte, bis mein Einkauf über das Warenband gedümpelt ist, zahle in die nasse Kasse
und gehe nach Hause.

9 Comments:

  • Ein literarisches Meisterstück!
    Ich will mehr. JETZT! SOFORT! UND ZWAR NE MENGE MEHR!!!
    Echt gut... Danke für diese Erkenntnisse!

    By Blogger Henning, at 10:56  

  • Vielen Dank für das überschwängliche Lob ;)

    Wenn dir Beschreibungen über das Meer gefallen empfehle ich dir unbedingt Frank Schätzings "Nachrichten aus einem unbekannten Universum". Gegen ihn bin ich wirklich nur ein Amateur.

    By Blogger Johanna, at 10:47  

  • ein wort: Geil

    ich zeige ihm den weg in die mikrowellen abteilung xD

    By Anonymous Anonym, at 03:04  

  • @Rasputina: sehr, sehr gut. Und nein, der Schätzing kann Dir bei weitem nicht das Wasser reichen, der olle Schwafelbolzen.

    By Blogger Mick, at 17:57  

  • großARTig!!!!!!!!

    By Anonymous Anonym, at 14:17  

  • Weiter so! Das gefällt mir echt gut und normaler Weise mag ich sowas gar nicht! Aber das find echt mal gut! Bitte schreib noch einmal so etwas!

    By Blogger Flex, at 22:02  

  • Guuuhl ey :-)

    By Anonymous Anonym, at 10:08  

  • Danke für eure lieben Kommentare :)

    Ich wüsste allerdings nicht, wie ich nocheinmal so etwas schreiben sollte, ohne dass es dann ein bloßer Aufguss wäre.

    Eventuell werde ich für Weihnachten noch einmal etwas ähnliches schreiben.

    By Blogger Johanna, at 13:10  

  • Ach herrje zu Weihnachten... da bleibt einen wohl nichts anderes übrig als sich in Geduld zu üben. Ich fang dann auch gleich an. Bloß wie? ;-)

    By Blogger Flex, at 16:44  

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